Wanderlied | Lueg doch! Lueg! | D’Heimetsprooch | Worum as i Gedichtli schriib | Die erste Blüemli | Sunnestaub | Wie‘s duß uf eimol anderst wird! | Der Buur im Winter
Wanderlied
Hüt git’s e Marsch dur Berg un Wald,
Derno durab dur d’Rebe.
So Wandere, das gfallt mer halt.
Drum ’s Wandere soll lebe!
’s sin lutter gueti Fründ derbii,
Bekannt us alte Tage.
Se wird’s au um so schöner sii
Un dopplet guet behage!
Se–n uf un furt! Wenn ’s Zügli chunnt,
Wird’s nit lang warte welle.
Un was der Tag is Bsunders gunnt,
Wemmer getreu verzelle.
Wanderlied
Heute gibt es einen Marsch durch Berg und Wald,
Danach hinunter durch die Reben.
So wandern, das gefällt mir halt.
Darum soll das Wandern leben!
Es sind lauter gute Freunde dabei,
Bekannt aus alten Tagen.
So wird’s auch umso schöner sein
Und doppelt gut behagen!
Schau auf und fort! Wenn das Züglein kommt
Wird es nicht lange warten wollen.
Und was der Tag uns Besonderes bringt,
Werden wir getreu erzählen.
[Raupp, Otto: Heckerösli, Heidelberg: Eigenverlag 1910, Seite 37]
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Lueg doch! Lueg!
E Bach am Dörfli hinte-n umme
un e Stegli;
Immli, wo summe
un e suffer Wegli
dur chüehle Schatte
uuse in d’Matte;
un e Frau unterem Hulli
un e Büebli am Lulli
un e Summervogel
un e Ma mit em Logel;
am Wage ne Schimmel,
e blaue Himmel
un Sunne bis gnueg –:
o lueg doch! Lueg!
Schau doch! Schau!
Ein Bach hinten am kleinen Dorf
und ein kleiner Steg;
Bienchen, die summen
und ein kleiner sauberer Weg
durch kühlen Schatten
hinaus auf die Wiesen
und eine Frau unterm Kopftuch
und ein Bübchen mit Schnuller
und ein Schmetterling
und ein Mann mit einem Fässchen;
am Wagen einen Schimmel,
ein blauer Himmel
und Sonne satt -:
O schau doch! Schau!
[Raupp, Otto: Der Heimet zue: Friedrich Gutsch Verlag 1936, Seite 24]
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D’Heimetsprooch.
Er het zue Chleine un zue Große,
zue niemes „Guete-n Obe!“ gsait.
Kei Veieli het er grüeßt, kei Rose;
un wenn er goht, isch’s niemes leid.
E Heimet isch eso nit z’finde!
Un wär doch überal so nooch!
Si chennt die Taube un die Blinde
un het e bsundri, gheimi Sprooch.
E Sprooch nit numme mit der Zunge!
Ganz us der Tiefi chunnt der Ton.
Dört wird e ewig Liedli gsunge
un d’Hütte baut, wo-n i din wohn.
Die Heimatsprache
Er hat zu Kleinen und zu Großen,
zu niemanden „Guten Abend!“ gesagt.
Kein Veilchen hat er gegrüßt, keine Rose;
Und wenn er geht, ist es niemanden leid.
Eine Heimat ist so nicht zu finden!
Und wäre doch überall so nah!
Sie kennt die Tauben und die Blinden
und hat eine besondere, geheime Sprache.
Eine Sprache, nicht nur mit der Zunge!
Ganz aus der Tiefe kommt der Ton.
Dort wird ein ewiges Liedchen gesungen
und das Haus gebaut, wo ich drin wohne.
[Raupp, Otto: De Heimet zue, Karlsruhe: Friedrich Gutsch Verlag 1936, Seite 60 (Auszug)]
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Worum as i Gedichtli schriib.
Worum as i Gedichtli schriib?
De meinsch amend, zuem Zytvertriib?
Viillicht au, wil me für so Riimli
Geld menggmol überchunnt e Striimli?
Nei, nei! ’s het e ganz andre Grund ––:
I mueß! Sust wär i nümme gsund.
Mei, wenn i ammel dichte tue,
do goht’s ganz anderst bii mer zue!
Do isch e Lebdig – verstohsch: do inne! –
Vo lutter Loose un Luege un Bsinne,
vo lutter Renne un Hüüle un Lache.
Mei, das sin Sache!
Warum ich Gedichte schreibe
Warum ich Gedichte schreibe?
Du meinst wirklich zum Zeitvertreib?
Vielleicht auch, weil man für solche Reime
manchmal mehr als eine Kleinigkeit Geld bekommt?
Nein, Nein! Es hat einen ganz anderen Grund – –:
Ich muss! Sonst wäre ich nicht mehr gesund.
Also, wenn ich einmal dichte,
dann geht’s ganz anders bei mir zu!
Da ist ein Leben – verstehst du: da drinnen! –
Voll von Reden und Schauen und Besinnen,
voll von Toben und Weinen und Lachen.
Also, das sind Sachen!
[Raupp, Otto: De Heimet zue, Karlsruhe: Friedrich Gutsch Verlag 1936, Seite 7 (Auszug)]
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Die erste Blüemli.
Die erste Blüemli luege
Im Wald ein fründlig a,
Us alle Riß un Fuege
Trybts wider, was es cha.
’s isch chumm e Plätzli näume,
Wo nit biim Amselschlag
Vom Lebe d’Chiimli träume
Un uuse wenn am Tag.
Sie henns, wie mir do inne:
Das Herzli het kei Rueh!
Do isch kei Raste–n un Bsinne –:
’s will halt der Sunne zue!
Die ersten Blümchen
Die ersten Blümchen schauen
Im Wald einen freundlich an,
Aus allen Rissen und Fugen
Treibt’s wieder, was es kann.
Es ist kaum ein Plätzchen irgendwo,
Wo nicht beim Amselgesang
Vom Leben die Keime träumen
Und heraus wollen an den Tag.
Sie haben’s, wie wir in uns drinnen:
Das Herzchen hat keine Ruh!
Da ist kein Rasten und Besinnen –:
Es will halt der Sonne entgegen!
[Raupp, Otto: Heckerösli, Heidelberg: Eigenverlag 1910, Seite 30]
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Sunnestaub.
D’Sunne glänzt wie goldene Tau
über d’Summermatte.
’s lauft am Wald her chüel un blau
weiche, tiefe Schatte.
Gang i denkwol do dur ’s Gras
dört zue sellere Bueche,
uf em Bänkli deis un das
in Gedanke z’sueche.
Ha-n i, was i sinn un glaub,
uf e Blättli gschribe,
isch amend vom Sunnestaub
öbbis – hangge blibe!
Sonnenstaub
Die Sonne glänzt wie goldener Tau
über die Sommerwiese.
Es läuft am Wald entlang kühl und blau
weicher, tiefer Schatten.
Gehe ich nachdenklich da durchs Gras
dort zu jener Buche,
auf einem Bänkchen dies und das
in Gedanken zu suchen.
Habe ich, was ich denke und glaube,
auf ein Blättchen geschrieben,
ist am Ende vom Sonnenstaub
etwas hängen geblieben.
[Raupp, Otto: De Heimet zue, Karlsruhe: Friedrich Gutsch Verlag 1936, Seite 16]
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Wie‘s duß uf eimol anderst wird!
Wie’s duß uf eimol anderst wird!
E Blättli fliegt, verweiht, verirrt.
Jetz lyts am Bode chalt und still!
I weiß wol, was das sage will!
Wo chömmen au im Handumchehr
De viile Spinnennetzli her?
Fast alli Stüdeli hangge voll.
I weiß, was das bedütte soll!
Wie hell, wie glockerein isch d’Luft!
Un ’s schimmeret din wie Silberduft.
Wie schiine d’Berg un d’Dörfli nooch!
Das mahnt mi so! I chenn die Sprooch.
Wie’s draußen auf einmal anders wird!
Wie’s draußen auf einmal anders wird!
Ein Blättchen fliegt, verweht, verirrt.
Jetzt liegt’s am Boden kalt und still!
Ich weiß wohl, was das sagen will!
Wo kommen auch im Handumdrehen
Die vielen kleinen Spinnennetze her?
Fast alle Stauden hängen voll.
Ich weiß, was das bedeuten soll!
Wie hell, wie glockenrein ist die Luft!
Und es schimmert darin wie Silberduft.
Wie scheinen der Berg und das Dörfchen nah!
Das ermahnt mich so! Ich kenne die Sprache.
[Raupp, Otto: Heckerösli, Heidelberg: Eigenverlag 1910, Seite 44 (Auszug)]
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Der Buur im Winter.
Ui – alles wyß! Der Winter cha’s.
Isch das dört uß e Triibe!
Do will i hinter em Fensterglas
In miinere Stube bliibe.
Miech mi e so–ne Wetter chrank,
Das wär jo grad kei Nutze;
Drum sitz i uf der Ofebank,
Dört ha–n i Wide z’butze.
Un ellimol e Schluck derzue
– Mi Cheller cha’s vertrage –:
So, mein i, chönnts es öbbe thue,
Un ’s goht mer nit an Chrage.
Der Bauer im Winter
Hui – alles weiß! Der Winter kann’s.
Ist das dort draußen ein Treiben!
Da will ich hinterm Fensterglas
In meinem Zimmer bleiben.
Würde ich bei so einem Wetter krank,
Das wäre überhaupt kein Nutzen;
Drum sitze ich auf der Ofenbank,
Dort muss ich Weidenruten putzen.
Und hie und da ein Schluck dazu
– Mein Keller kann’s vertragen –:
So, meine ich, könnt’s etwa gehen,
Und es geht mir nicht an den Kragen.
[Raupp, Otto: Heckerösli, Heidelberg: Eigenverlag 1910, Seite 10 (Auszug)]
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In der Emmendinger Ortschaft Mundingen wurde 1992/93 das Baugebiet Hegeweg/Spitzacker um eine Straße mit 32 Grundstücken erweitert. Sie wurde nach Otto Raupp benannt. Dieser war von 1899 bis 1919 evangelischer Pfarrer in Mundingen; bekannt wurde er aber auch als Mundartdichter, Maler, Musiker und Heimatforscher. Sein Alemannisch ist geprägt von seiner Schulzeit in Egringen und Lörrach. Rund 30 Jahre nach der Bebauung der Otto-Raupp-Straße bildete sich unter den Anwohnern eine Initiative, um den Namensgeber und seine Werke wieder bekannt zu machen. Ziel war ferner, die Heimatgeschichte zu beleben und die Identifikation der Mundinger mit ihrem Ort zu fördern. Dazu dienen an den Laternenmasten angebrachten und von den Anwohnern finanzierte Tafeln mit alemannischen Gedichten von Otto Raupp.
